Interview mit Ali Yildirim über Blogger und das Bloggen – Teil 2

Da das mit mir geführte Interview recht lang war, habe ich es auf zwei Blogbeiträge aufgeteilt. Den ersten Teil des Interviews habe ich vor zwei Tagen veröffentlicht. Hier folgt nun der zweite Teil.

Blogger sind nicht unbedingt an den Presse-Kodex gebunden. Ist das ein Problem?

Manchmal schon. Gerade dann, wenn Blogger glauben, das Netz sei ein rechtsfreier Raum, in den man seine Kneipengespräche vortragen kann. Am Stammtisch kannst du über Personen der Öffentlichkeit herziehen wie du willst. Im Blog geht das nicht. Anstand und Moral müssen gewahrt werden.

Sehen Sie (k)eine Gefahr durch sehr starke Integration der eigenen Meinung? Sie ist in der Regel sogar stärker als beim journalistischen Kommentar.

Die Gefahr gibt es sicherlich. Gerade wenn man sehr emotional an ein Thema herangeht und sich den Frust von der Seele schreibt. Hier kann sich der Lektor bei einer Zeitung als vorteilhaft erweisen, da jemand den Artikel von außen noch einmal beurteilt.

Wie verdienen Sie mit ihrem Blog/ihren Blogs Geld?

Mit Werbung. Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten von Bannerwerbung über das Affiliate Marketing bis hin zu gesponsorten Beiträgen.

Können Sie davon leben? Oder generell gefragt: Kann ein Blogger in Deutschland davon leben?

Wenn er nur einen Blog betreibt sicherlich nicht. Bei mehreren Blogs ist das schon eher möglich, wenn man den entsprechenden Aufwand auf sich nimmt. Reich wird an dadurch nicht. Aber da geht es Journalisten sicherlich nicht anders.

Der US-Amerikaner Pat Flynn legt seine monatlichen Verdienste offen und verdient mit seinem Blog „Smartpassiveincome.com“ zwischen 50.000 und 100.000 US-Dollar monatlich. Er bloggt dabei über das WEB. Halten Sie eine solche Offenlegung des Einkommens im deutschsprachigen Raum für möglich?

Warum nicht. Ich tue es ja auch. Nur sind bei mir die Zahlen nicht so ausgeprägt. In Deutschland geht man ungern mit Zahlen nach draußen. Man befürchtet wohl Nachahmer. Dabei ist es gar nicht so einfach, die Zahlen von Pat Flynn zu erreichen. Amerikaner sind da was offener und haben m.E. auch Erfolg damit. Der Blogger ist über die Grenzen hinaus bekannt und eröffnet sich damit neue Verdienstmöglichkeiten (z.B. als Gastredner). In Deutschland erkennen wir dieses Potenzial nicht.

Welche ökonomischen Erwartungen sind für Deutschland realistisch?

Die USA ist eine andere Welt. Dort kann eine Blogger-Community wie die Huffington Post richtig etwas bewegen. Sicherlich ist das auch in Deutschland möglich. Nur nicht jetzt. Vielleicht in einigen Jahren. Dann können sicherlich auch fünfstellige Einnahmen in Deutschland erreicht werden.

Dient das Blog eher als Portfolio und Werbeträger für e-Books, Podcasts und Seminare?

In meinem Fall nicht. Aber es gibt Blogger, die über ihren Blog auch Direktmarketing betreiben. Hierzu zählen insbesondere Ratgeber, (Video-)Tutorials oder Seminare.

Ist Bloggen ein langfristiges Geschäftsmodell?

Ich denke schon, da sich die „Welt“ immer weiter ins Netz verlagert. Vielleicht wird es in einigen Jahren keine Printmedien mehr geben. Oder sie sind nur noch nostalgische Prestigeobjekte. Viele Zeitungen arbeiten jetzt schon unwirtschaftlich. Genauso wie ältere, fundierte Zeitungen einen Vorteil gegenüber jungen Zeitungen besitzen, werden auch etablierte Blogs Vorteile gegenüber jungen Seiten haben. Daher gilt es früh damit anzufangen.

Gibt es eine Altersgrenze?

Für Blogger? Finde ich nicht. Ich motiviere sogar Jugendliche früh mit dem Bloggen zu beginnen. Ältere haben den Vorteil, dass sie über viel Erfahrungen verfügen, das es mit der Welt da draußen zu teilen gilt.

Wo gibt es noch Handlungsbedarf, um mit Blogs effektiver Geld verdienen zu können?

Im Marketing der Blogs. Viele Blogs und Blogger führen noch ein unscheinbares Leben. Wenn ich mir Blogs ansehen, die nicht einmal Social Media Kanäle angebunden haben, frage ich mich, warum dieses Potenzial verschenkt wird.

Sehen Sie Blogger-Content als kostenlose Zukunftsalternative zu Paywall-Sites wie Bild-Plus auf Bild.de?

Es wird sicherlich immer Blogs geben, die kostenlos Content zur Verfügung stellen. Das hängt ein wenig auch von der Qualität des Blogs ab. Je gefragter ein Blog, desto stärker wird auch das Bestreben sein, seinen Content irgendwie zu monetarisieren. Fakt ist aber, dass wir hierzulande für Sachen im Netz ungern bezahlen. Im Netz muss alles am liebsten kostenlos sein. In den USA ist man da eher bereit, für guten Content zu bezahlen. Wird sich sicherlich auch in Deutschland ändern.

Geld gegen Content. Welche Chance hätten Blogs mit Abo-Kosten?

Ich halte das Preismodell „Abo“ grundsätzlich für keine gute Strategie. Menschen binden sich ungern an Abos, wenn sie nicht wissen, ob sie in paar Monaten noch den Blog besuchen. Bisher habe kein gutes Preismodell gesehen, dass Blogger finanziell unterstützen könnte. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich das noch.

Immer mehr Menschen nutzen Tablets oder Smartphones. Muss der Blog auch als App entwickelt werden, um mehr Aufrufe generieren zu können?

Ja. Entsprechende Programme gibt es bereits, die aus dem Blog eine App machen. Es gibt aber auch Plugins, die den Blog für mobile Endgeräte optimieren. Zumindest diese sollten installiert sein.

Ein Zukunftsausblick. Wohin entwickeln sich Blogger/das Bloggen Ihrer Meinung nach?

Ich glaube, dass sich langfristig das gesellschaftspolitisch motivierte

Bloggen stark ausbreiten wird, weil man immer weniger Vertrauen in Journalisten haben werden und die Berichterstattung selbst in die Hand nehmen werden. Hier wird sich jedoch die Spreu vom Weizen trennen und viele Blogs den bekannten Internettod sterben.

Das Bloggen und Schreiben ist eine „Kunst“, das Interesse und auch ein wenig Talent erfordert. Genauso wie nicht jeder mit Pinsel und Musikinstrument umgehen kann, findet auch nicht jeder die richtigen Worte.

In Category: Mit Schreiben Geld verdienen

Kawa

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  • Thomas 4. Mai 2014, 19:25 Link Reply

    Dieser Beitrag hat mich zum wiederholten Male auf neue Ideen gebracht. Vielen Dank dafür.

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